Wie uns fünf einfache Fragen zu mehr Klarheit führen
Wir alle sind täglich mit inneren sowie zwischenmenschlichen Konflikten konfrontiert. Diese können ganz schön auf die Stimmung drücken und unsere Leistung senken – besonders, wenn sie ungelöst bleiben, wir uns im Kreis drehen und die Konflikte weiter schwelen. Oft führt dies entweder zur Vermeidung der Konfrontation oder zu vorwurfsvollen Streitereien.
Dabei scheitert die Klärung selten an der Realität sondern an den Gedanken, die wir uns machen. Um Klarheit im Außen zu erlangen, müssen wir erst einmal Klarheit im Inneren schaffen. Wenn wir aufhören, unsere Gedanken für bare Münze zu nehmen, und anfangen, sie zu hinterfragen, öffnen sich neue Perspektiven und die Möglichkeit, ganz andere Entscheidungen zu treffen.
Inhaltsverzeichnis
tl;dr
Die Landkarte ist nicht das Gebiet
Die Welt, wie wir sie geschaffen haben, ist ein Resultat unseres Denkens. Sie kann nicht geändert werden, ohne unser Denken zu ändern
– Albert Einstein
Unsere Wahrnehmung der Welt gleicht einer Landkarte. Im Laufe unseres Lebens machen wir uns ein Bild von der Welt, merken uns die Wege, die wir schon oft gegangen sind und meiden jene, die wir nicht kennen. So fertigt jeder seine eigene Landkarte an, um verschiedene Situationen zu verstehen und sich durch die Welt zu navigieren. Dabei vergessen wir häufig, dass diese Landkarte lediglich ein Abbild des Gebiets ist, auf dem wir uns bewegen, nicht aber das Gebiet selbst.
Es müsste also vielmehr die Sprache von „Wahr-Gebung“ sein als von „Wahr-Nehmung“. Unsere Gedanken und Annahmen sind nicht immer die objektive Wahrheit, sondern vielmehr Ausdruck unserer subjektiven Muster. So entstehen oft Konflikte, wenn unsere Landkarten nicht die gleichen Wege zeigen wie die der anderen, wenn sie veraltet sind oder schon lange nicht mehr geprüft wurden - wer weiß, vielleicht gibt es ja noch einen anderen Weg?
Im Alltag folgen wir diesen Karten in der Regel blind. Doch manchmal stoßen wir dabei an unsere Grenzen oder merken, dass es so nicht weiter geht. Was wir in diesen Fällen tun können, ist, unsere Annahmen zu überprüfen, anstatt sie als gegeben hinzunehmen.
Wenn wir erkennen, wie unsere Landkarte gezeichnet ist, haben wir die Möglichkeit, sie bewusst zu verändern. Erst durch diese bewusste Auseinandersetzung erlangen wir Klarheit und können unsere Sichtweisen selbst bestimmt anpassen.
Vorschnelle Schlüsse
Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, wir sehen sie so, wie wir sind.
– Anaïs Nin
Ein nützliches Modell, um sich darüber klar zu werden, wie unsere Annahmen zu bestimmten Schlussfolgerungen führen, ist die Schlussfolgerungsleiter von Chris Argyris. Dieses Modell beschreibt den Entscheidungsprozess, der kontinuierlich unbewusst in uns abläuft - von der Wahrnehmung einer Situation bist zum Ausführen einer Handlung. Die Schlussfolgerungsleiter legt auch offen, wie wir kognitiven Verzerrungen unterliegen, die zur Fehlinterpretation von Informationen führen. In diesem Video wird das Modell aus meiner Sicht sehr gut auf den Punkt gebracht.
Exkurs: Kognitive Verzerrung
Im Modell wird deutlich, wie wir mit jeder Stufe mehr Informationen tilgen und dazu neigen, in Schubladen zu denken. So gelangen wir zu Überzeugungen, die sich immer wieder selbst beweisen. Bin ich der Überzeugung "Die Welt ist schlecht", werde ich auch nur das Schlechte um mich herum wahrnehmen. Diesen Kreislauf können wir nur unterbrechen, indem wir unsere Schlussfolgerungen regelmäßig auf den Prüfstand stellen.
Wenn wir wissen, was wir denken, können wir auch anerkennen, dass wir vielleicht im Irrtum sind.
– René Borbonus
Hier sind fünf Beispiele für Annahmen und Schlussfolgerungen, die man auf seiner eigenen Schlussfolgerungsleiter hinterfragen könnte:
„Mein Chef ist unzufrieden mit mir, weil er mich gestern nicht gelobt hat.“
„Mein Partner hört mir nie zu.“
„Ich bin nicht gut genug für diese Aufgabe.“
„Er hat das absichtlich gemacht, um mich zu ärgern.“
„Sie respektieren mich nicht, weil sie mich nicht zu dem Meeting eingeladen haben.“
Nutze die Beispiele der Schlussfolgerungsleiter, um herauszufinden, welche Annahmen du möglicherweise machst. Schreibe sie auf und überlege, welche dieser Annahmen du hinterfragen möchtest.
In fünf Schritten destruktive Annahmen überwinden
Die Realität ist immer freundlicher als die Geschichte, die wir uns über sie erzählen.
– Byron Katie
Die US-Autorin Byron Katie beschreibt in ihrem Buch The Work einen einfachen Prozess, um festgefahrene Denkmuster zu hinterfragen und neue Perspektiven zu gewinnen. Die Methode folgt fünf einfachen Schritten, die du auf jeden belastenden Gedanken anwenden kannst.
1. Ist das wahr?
2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
3. Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
4. Wer wärst du ohne diesen Gedanken?
5. Die Umkehrung
Besonders wirksam ist dabei Schritt 5 - Die Umkehrung. Hier findet das Umdenken statt und wir erlauben uns, auch andere Wahrheiten zuzulassen. Die ersten vier Fragen machen uns die Tragweite unserer Gedanken bewusst und zeigen uns, dass das Problem nicht unbedingt im Außen liegt, sondern vielleicht darin, wie wir darüber denken.
Nimm dir kurz Zeit, um nach belastenden Gedanken oder negativen Annahmen zu suchen, die dich gerade beschäftigen, und schreibe diese Gedanken auf.
Wähle einen der notierten Gedanken, gehe alle vier Fragen durch und wende die „Umkehrung“ an.
Annahmen geprüft - was jetzt?
Nachdem du den ersten Schritt gegangen bist, und für innere Klarheit gesorgt hast, ist es an der Zeit, auch im Außen dafür zu sorgen. Egal wie das Ergebnis der Umkehrung aussieht, es wird ändern, wie du dich und die Situation wahrnimmst. In der Regel geht das mit einer Verhaltensänderung einher, da sich auch unsere Überzeugungen anpassen.
Wenn wir uns für unsere Wahrnehmungsmuster - Annahmen, Überzeugungen, Schlussfolgerungen - sensibilisiert haben und eine offene, interessierte Haltung eingenommen haben, sind wir bereit, in den klärenden Dialog zu treten. Damit dieser funktioniert, müssen wir in der Lage sein, die richtigen Fragen zu stellen. Mehr dazu findest du in meinem Blog-Beitrag "Mehr Klarheit im Dialog".
Fazit
Klarheit in unserem Denken beginnt damit, unsere Annahmen zu überprüfen und nicht blind unseren gewohnten Denkmustern zu folgen. Wenn wir erkennen, dass unsere Wahrnehmungen oft durch kognitive Verzerrungen gefärbt sind, haben wir die Chance, sie zu hinterfragen und zu ändern. Die Umkehrungs-Methode bietet dabei eine wertvolle Hilfe, um destruktive Gedanken loszulassen und neue Perspektiven zu gewinnen. Nur wenn wir uns bewusst mit unseren Gedanken auseinandersetzen, können wir den Weg zu einem klareren, offeneren Austausch mit anderen Menschen und mit uns selbst finden.
Welche Annahmen hast du über dich selbst oder andere? Und was hilft dir dabei, wieder klare Gedanken zu fassen? Lass es mich wissen und teile deine Erfahrungen.
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René Borbonus - Klarheit
Byron Katie - The Work
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